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Diskurs

The Time for Denial is Over

Transnationale Restitutionsbewegung

Mit Live-Übersetzung

Foto: Group50:50

Seit den 1960er Jahren setzt sich eine Bewegung von global vernetzten Künstler:innen, Intellektuellen und Aktivist:innen beharrlich für die Rückgabe afrikanischer Kulturgüter und menschlicher Überreste ein, um den Prozess der Entkolonialisierung nach der Unabhängigkeit voranzutreiben. Nach einer langen Periode der Stagnation hat sich die Debatte in den letzten Jahren beschleunigt, mit Beispielen physischer Rückgaben wie der Behanzin-Schätze an die Republik Benin oder der Benin-Bronzen an Nigeria. Unzählige Initiativen von Künstler:innen, Kulturinstitutionen sind weltweit entstanden, die diesen Restitutionsprozess vorantreiben und begleiten. In diesem historischen Moment lädt die GROUP50:50 Künstler:innen, Aktivist:innen und Denker:innen aus Europa und Afrika ein, die Grundlagen für eine transnationale Restitutionsbewegung zu erarbeiten.

In Leipzig präsentieren und diskutieren sie in einer Reihe von Screenings und Talks künstlerische und politische Praktiken, die afrikanische und europäische Identitäten neu definieren und den transkontinentalen Dialog und die Zusammenarbeit neu gestalten.

Credits

Programm + Moderation Patrick Mudekereza, Eva-Maria Bertschy und GROUP50:50 Produktionsleitung Nicole Lengenberg und Pamina Rottock Technische Leitung Sylvain Faye Presse und Social Media Fellow Publishing (Johannes Fellmann und Leonie Soltys)

Produktion PODIUM Esslingen, GROUP50:50, Centre d’Art Waza Lubumbashi Koproduktion Studio Rizoma Palermo, CTM Festival Berlin, euro-scene Leipzig, Kaserne Basel, Vorarlberger Landestheater Gefördert im Fonds TURN2 der Kulturstiftung des Bundes – gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Fachausschuss Tanz & Theater BS/ BL, Stiftung Pro Helvetia

In Zusammenarbeit mit Leipzig Postkolonial, Grassi Museum für Völkerkunde Leipzig, Studiengruppe Informationsdesign Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.

PROGRAMM

Mittwoch, 9. November | 17.00 – 19.00 Uhr

Dialogue with communities and their ancestors!

Eine der größten Herausforderungen für eine transnationale Restitutionsbewegung ist es, einen Dialog mit denjenigen lokalen Gemeinschaften aufzubauen, die während der Kolonialzeit enteignet worden waren. Wie können die lokalen Gemeinschaften die Deutungshoheit über die Objekte und die Menschen wiedererlangen, die ihnen abhanden gekommen sind? Lokalen Kulturzentren, zivilgesellschaftlichen Organisationen und transnationalen Künstler:innengruppen wird dabei die Rolle zukommen, Brücken zu schlagen, zwischen den Institutionen im Norden und den lokalen Gemeinschaften im Süden. Aber wie kann diese Begegnung gestaltet werden? Welche Missverständnisse, welche Schwierigkeiten begegnen uns dabei?

Screening: MANGI MELI REMAINS

Regie: Konradin Kunze und Flinn Works, 2019. 12 Min.

In Old Moshi, Tansania, wird ein Kopf vermisst. Es handelt sich um das Haupt von Mangi Meli, der sich gegen die Besetzung des Kilimandscharo-Gebietes durch die deutsche Kolonialmacht wehrte und 1900 hingerichtet wurde. Sein Kopf soll im Anschluss auf Nachfrage von Wissenschaftlern nach Deutschland verschifft worden sein. Bis heute wartet der Enkel von Mangi Meli auf dessen Rückkehr.

Diskussion mit: Mnyaka Sururu Mboro, Aktivist (Berlin), Konradin Kunze, Theaterschaffender, Flinn Works (Berlin), Isabelle Reimann, Provenienzforscherin (Leipzig)

Screening: FAIRE-PART

Regie: Anne Reijniers, Nizar Saleh, Paul Shemisi and Rob Jacobs, 2019. 58 Min.
(20 Min. Ausschnitt)

Am Vorabend der verschobenen kongolesischen Wahlen arbeiten zwei kongolesische und zwei belgische Filmemacher:innen an einem Film über Kinshasa und seinen Widerstand gegen das Erbe des Kolonialismus. Die vier Filmer:innen wollen gemeinsam eine Geschichte erzählen, aber da sie auf unterschiedlichen Seiten der Geschichte aufgewachsen sind, haben sie unterschiedliche Ansichten darüber, wie diese Geschichte erzählt werden soll. Wie sollte sie aussehen? Wer sollte darin vorkommen? Für wen wird sie gemacht? FAIRE-PART ist die Suche von vier Filmemacher:innen nach einer Möglichkeit, die Stadt zu porträtieren. Indem sie künstlerische Performances im öffentlichen Raum filmen, zeichnen sie ein provokantes Bild von Kinshasa und seinen Beziehungen zum Rest der Welt.

Diskussion mit: Faire-Part, transnationales Kollektiv (Kinshasa / Brüssel)

Donnerstag, 10. November | 18.00 – 20.00 Uhr

Face the damage, treat the wounds!

Es steht heute außer Frage, dass tausende Artefakte und die sterblichen Überreste der Ahnen in den europäischen Museen in die Länder ihrer Herkunft zurückkehren müssen und somit die Menschen das in langen politischen Kämpfen geforderte kulturelle Erbe wiedererlangen. Die zurückkehrenden Ahnen und Artefakte erinnern die Menschen aber an eine lange Geschichte der Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung, mit der wir uns in Europa und in Afrika auseinandersetzen müssen. Die Restitution könnte in diesem Sinne ein schmerzhafter und gleichzeitig heilsamer Prozess sein, im Zuge dessen sich das Verhältnis zwischen dem afrikanischen und dem europäischen Kontinent grundlegend transformiert.

Screening: YOU HIDE ME

Regie: Nii-Kwate Owoo, Ghana, 1970. 16 min.

You Hide Me Nii-Kwate Owoo 1970 verbrachte der ghanaische Filmemacher Nii Kwate Owoo einen Tag mit Dreharbeiten in den Kellerarchiven des British Museum. 1971 wurde sein Film YOU HIDE ME in Ghana als “antibritisch” verboten, was ironischerweise dazu führte, dass die einflussreiche Londoner Zeitschrift West Africa eine Schlagzeile veröffentlichte, die den Film in der übrigen Welt bekannt machte. Mehr als ein halbes Jahrhundert später wurde YOU HIDE ME mit dem Preis für den besten Dokumentarfilm auf dem Pariser Kurzfilmfestival 2020 ausgezeichnet.

Diskussion mit: Bénédicte Savoy, Kunsthistorikerin (Berlin)

Screening: BEHIND THE GLASSES

Regie: Azgard Izambo, 2019, 4 Min.

2018 lädt das GRASSI Museum für Völkerkunde Kuratoren und Künstler:innen aus Kinshasa ein, die Ausstellung „Megalopolis I – Stimmen aus Kinshasa“ mit ihren eigenen Werken und in Auseinandersetzung mit der Sammlung zu gestalten. Dabei geht es auch um Objekte, die König Leopold II 1894 dem Leipziger Museum geschenkt hat. In diesem Rahmen entsteht der Kurzfilm BEHIND THE GLASSES von Azgard Itambo. Er gibt den Schmerz und die Fragen wieder, mit denen ein junger Mann aus dem Kongo beim Anblick der Objekte im Museum konfrontiert ist. Wie können die Menschen heute ohne diese Geschichte leben?

Diskussion mit: Ohiniki Mawussé Toffa, Germanist und Kolonialhistoriker (Leipzig) und Stefanie Bach, Kuratorin für Global Art am Grassi Museum für Völkerkunde (Leipzig) 

Screening: RETURN: AN EPIC JOURNEY

Regie: Rita Mukebu und Joseph Kasau. Produziert von Centre d’Art Waza, Lubumbashi, 2021. 15 min.

Inspiriert von den afrikanischen Masken im Museum Rietberg in Zürich hat der Schweizer Künstler Lukas Stucky eine Maske entworfen und die kongolesische Künstlerin Rita Mukebo gebeten, ihr den Status eines Kunstwerks zu verleihen. In einem vom Centre d’Art Waza Lubumbashi produzierten Kurzfilm testet Mukebu die Bedeutung der Maske, indem sie die Tshokwe-Gemeinschaft, den Direktor des Kunstmuseums, einen Universitätsprofessor und andere besucht.

Diskussion mit: Patrick Mudekereza, Kurator und Autor, Centre d’Art Waza (Lubumbashi) und Joseph Kasau, Co-Regisseur des Films (Lubumbashi).

Hauptförderer

Die euro-scene Leipzig wird institutionell gefördert von der Stadt Leipzig, Kulturamt und durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus. Mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Säschsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.